TheaterDeutsch

Die Spannung im Gang vor den Musiksälen konnte durchaus als aufgeladen bezeichnet werden, als die Schüler*innen der Oberstufe sich in der ersten großen Pause dort versammelten.
Der Grund hierfür war die bevorstehende Theatervorstellung von Georg Büchners „Woyzeck“, die von einer Ein-Mann-Theatergruppe aus Karlsruhe aufgeführt werden sollte.


Bei Betreten des Raumes fiel zuerst das aufregende Bühnenbild ins Auge des Betrachters, was erneute Gespräche entfachte. Kleider, Koffer und andere Gegenstände waren scheinbar wahllos auf dem Boden verteilt und alles, was die Zuschauer*innen von dem Geschehen trennen sollte, war ein Drahtzaun, den man mit Glück als hüfthoch bezeichnen konnte. Die Schüler*innen des Leistungsfachs Deutsch erkannten einige Elemente aus dem Drama wieder, da dessen Behandlung Teil des diesjährigen Bildungsplans für das Abitur 2023 ist.
Nach einer kurzen Vorstellung und Einleitung durch den agierenden Schauspieler ging es direkt los.
Das gesamte Stück dauerte etwa siebzig Minuten, welche der Schauspieler so reich füllte, dass es sich eher wie eine halbe Stunde anfühlte. Durch den Einsatz von handgefertigten Puppen und dem enormen Talent des Schauspielers, seiner eigenen Stimme eine Vielzahl unterschiedlichster anderer Stimmen entspringen zu lassen, füllte sich der Raum in Windeseile mit der gesamten Reihe an Figuren, die Büchner in seinem Stück vorstellt. Hier vergaß man schnell, dass sich einem am Anfang die Frage stellte, wie eine einzelne Person ein gesamtes Theaterstück eigenhändig auf die Beine stellen sollte.
Bei der Inszenierung wurde keinerlei Scheu gezeigt, das Publikum die Brutalität der Geschehnisse beinahe hautnah spüren zu lassen. Wer beispielsweise nicht gerne Kaugeräusche hört war hier definitiv an der falschen Adresse. Allerdings waren es genau diese abstoßenden Elemente, die die wahre Nähe zum Original aufwiesen. "Woyzeck" ist ein forderndes und kritisches Werk, was durch die düstere Gestaltung sowohl des Bühnenbilds als auch der Requisiten für die Zuschauer*innen überaus deutlich gemacht wurde. Was außerdem begeisternd für viele war, war die detaillierte Auseinandersetzung mit Büchners Originaltext, da sich teilweise ganze Abschnitte genau zitiert in der Vorstellung wiederfinden ließen.

Nach der Vorstellung gab es die Möglichkeit zu einem Nachgespräch mit dem Schauspieler, welches sich als äußerst aufschlussreich erwies. Er offenbarte einige Tricks, mit denen die Umsetzung eines ganzen Theaterstücks durch eine einzelne Person um ein Vielfaches erleichtert werden kann. Zudem gewährte er einen Einblick in seine Arbeit mit dem Stück, wobei er auch erwähnte, dass er mehrere Aufführungen wöchentlich habe, und dies schon seit Monaten, seit November 2022. Dies ist durchaus bewundernswert, da er den gesamten Text vollständig allein lernen muss und die Inszenierung körperlich herausfordernder ist, als man sich dies im ersten Augenblick vorstellt. Darüber hinaus bekommt er es selbst nach solch einer langen Zeit immer noch hin, das Stück ungemein abwechslungsreich und interessant zu präsentieren.
Nach der Aufführung für die Schüler*innen der zwölften Klasse war seine Arbeit noch nicht getan, da er direkt danach dasselbe Stück noch einmal für die Schüler*innen der elften Klasse vorführte.

Text: Oliver Steinberg - Bild: I. Scharfe